Eine Artikelreihe im Fachmagazin Bahn-Report beleuchtet sehr anschaulich die Zusammenhänge zwischen dem Milliardengrab Stuttgart 21 und der andauernden Blockade bei der weiteren Entwicklung des Regionalverkehrs in ganz Baden-Württemberg. Nicht nur die Autoren sind überzeugt, dass ohne die ideologische Fixierung auf Stuttgart 21 schon heute im ganzen Land mehr Züge fahren könnten und inzwischen sogar die Verwaltung gezwungen ist, absichtlich Verbesserungen zu blockieren, damit am Ende mit Stuttgart 21 die große Erlösung folgt. Der Bahnreport-Artikel zu Stuttgart 21, Teil 1-3 als pdf
Im Kommentar zu diesem Eintrag finden sich ein paar Text-Auszüge die konkret das Thema Frankenbahn betreffen.
Hier ein paar Auszüge aus der Artikelserie im Bahn-Report:
Eine Folge der ständigen Forcierung von Stuttgart
21 war die Vernachlässigung anderer Projekte
im Land. Die NBS Mannheim – Frankfurt versank
im bis heute ungelösten Disput um einen
Bypass an Mannheim vorbei. Der seit Mitte der
1980er laufende Ausbau der Rheintalbahn
Karlsruhe – Basel stockte ebenfalls, trotz internationaler
Verträge. Die Anwohner fordern zu
Recht eine lärmschutzoptimierte Trasse, dessen
Mehrkosten die DB nicht übernehmen möchte.
Anders als bei Stuttgart 21 mischt sich aber
die Landespolitik hier nicht ein und verweist die
lokalen Akteure bis heute an den Bund. Auch die
Schaffung eines durchgängigen zweiten Gleises
auf der Gäubahn, die ebenfalls im Rahmen
eines internationalen Vertrags mit der Schweiz
auszubauen wäre, kommt wegen Geldmangels
nicht voran.
Bei kleinen Vorhaben führten die für Stuttgart 21
gemachten Zusagen offensichtlich zu Machtspielen
zwischen DB und Land. Als exemplarisch
gilt hierfür neben der geplanten Ausweichstelle
Fornsbach (Murrbahn) die Beseitigung des
eingleisigen Abschnitts Züttlingen – Möckmühl
auf der Frankenbahn (Stuttgart –) Heilbronn –
Würzburg. In beiden Fällen forderte DB Netz nicht
nur eine 20-jährige Bestellgarantie des Bedienungsprogramms,
welches den Ausbauplanungen
zugrunde gelegt wurde, sondern sogar die
volle Risikoübernahme durch das Land – im
Grunde genommen ähnliche Forderungen, wie
2007 bei Stuttgart 21, nur dass man bei diesen
wenige Millionen Euro teuren Vorhaben sich (zu
Recht) nicht erpressen lassen wollte. Die fehlenden
Bestellgarantien legen nahe, dass die versprochenen
30-Minuten-Takte auf allen RE-Linien
bei Stuttgart 21 wohl auch nur zur Propaganda
taugen.
(…)
Besorgniserregend ist seit 2001 auch, dass eine
Weiterentwicklung des an sich erfolgreichen 3-
Löwen-Takts sowohl angebotsseitig wie auch
infrastrukturell bisher kaum stattfand. Stattdessen
wedelt der Schwanz mit dem Hund – anstatt
dass ein landesweiter Zielfahrplan die Vorgaben
zum Ausbau der Infrastruktur definiert,
wird das Prinzip der angebotsorientierten Planung
sogar ausgehöhlt, indem die Infrastruktur
in Form von Stuttgart 21 dem restlichen Land
aufzwingt, wie der Fahrplan auszusehen hat.
Den wichtigsten Erfolgsfaktor des 3-Löwen-
Taktes, die Anschlussgarantie, gefährdet man
systematisch durch dessen Teilumsetzung bei
Stuttgart 21. Nur durch doppelt so viele geplante
RE, die durchgebunden werden, können zu
Hauptverkehrszeiten verloren gegangene Anschlüsse
kompensiert werden. So verwundert
es nicht, dass schon jetzt der ITF zunehmend
aufgeweicht wird.
(…)
Hinter vorgehaltener Hand ist allen klar, dass
Stuttgart 21 nicht folgenlos bleiben wird – Kürzungen
bei der Polizei, im Sozialbereich und bei
der Bildung (in Stuttgart sei nicht einmal mehr
Geld für Klopapier an Schulen da) werfen ihre
Schatten sichtbar voraus.
(…)
In diesem Zusammenhang besonders bedenklich
ist, dass Stuttgart 21 durch seine betrieblichen
Gegebenheiten ein weiterer Kostentreiber für den
Nahverkehr wird. Die zukünftig im Hbf endenden
Züge können nicht mehr dort wenden, sondern
müssen dafür erst in den Abstellbahnhof
Untertürkheim fahren, denn der Tunnelbahnhof
erlaubt mit seiner Gleisneigung von 15 ‰ Bremsproben
nur unter Restriktionen. Zudem würden
sich Zugwenden bei nur noch acht Gleisen sofort
auf die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs auswirken.
(…)
Alle Beispiele illustrieren, dass mittlerweile
immer mehr Bürger und zunehmend auch die
Presse den Verfechtern des Projekts misstrauen.
Anstatt eine Versachlichung der Diskussion
herbeizuführen, in dem man endlich alle Fallstricke
offenlegt, zwingt die Politik die Presseabteilungen,
nur noch mehr Werbepropaganda
zu produzieren, was das Misstrauen der Bürger
weiter schürt. Das Beispiel Stuttgart-Vaihingen
zeigt, dass selbst die vertrauensvolle Zusammenarbeit
zwischen Verwaltung und Verkehrsverbänden
stark belastet ist. Um Stuttgart 21
nicht zu gefährden, muss diese immer öfter
sinnvolle verkehrliche Vorschläge im Keim ersticken,
bzw. mithelfen, bestehende Mängel vor
der Öffentlichkeit zu verschleiern.
Die Verwaltung ist sich also durchaus bewusst,
dass die Kritik berechtigt ist. Nicht umsonst ist
sie genötigt, jedes erdenkliche juristische Mittel
zu nutzen, um einen Bürgerentscheid in
Stuttgart um jeden Preis zu verhindern, denn
der politische Wille steht nach wie vor fest.
http://michelfreimoench.wordpress.com/2009/06/08/am-dag-donoch/
Oder, wenn die Lösung das Problem ist…
Stuttgart K21 nach Gregory Bateson steckt in jeder Information ein Unterschied…