Anfrage an den Innenminister von Baden-Württemberg zum SPNV auf der Frankenbahn

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Medienberichten und Veröffentlichungen auf EU-Ebene finden derzeit zwischen dem Land Baden-Württemberg und DB Regio Verhandlungen über Änderungen am landesweiten Verkehrsvertrag statt. Demnach soll unter anderem der SPNV auf der Frankenbahn Stuttgart-Heilbronn-Würzburg aus dem landesweiten Verkehrsvertrag herausgelöst und ab Dezember 2015 per Direktvergabe neu vergeben werden, ohne das Wettbewerber die Chance hätten, bessere Angebote zu niedrigeren Kosten einzureichen.

Eine Kopie des entsprechenden Dokumentes aus dem EU-Amtsblatt (pdf, 3,5 MB) findet sich hier.

Auf eine in anderen Bundesländern übliche und von Innenminister Heribert Rech bereits angekündigte Ausschreibung dieser SPNV-Leistungen sowie entsprechender Teilnetze in Nord-Württemberg soll offenbar verzichtet werden.
Ich möchte Sie daher bitten, folgende Fragen zu beantworten:

– Warum verzichtet das Land auf die bereits angekündigte Ausschreibung der SPNV-Verkehre auf der Frankenbahn?
– Hat der Minister die Bürger in der Region Heilbronn-Franken mit dem Versprechen einer Ausschreibung also belogen?
– Welches Unternehmen soll via Direktvergabe mit diesen SPNV-Leistungen beauftragt werden?
– Warum wird der SPNV in Baden-Württemberg nicht analog zu anderen Bundesländern in sinnvollen Teillosen ausgeschrieben?
– Ist dem Ministerium bekannt, dass nach den Erfahrungen in anderen Bundesländern durch Wettbewerbsverfahren die Kosten im SPNV eklatant sinken und somit ein besseres SPNV-Angebot bei gleichbleibenden oder gar niedrigeren Kosten möglich wird?
– Ist dem Ministerium bekannt, dass die derzeit von DB Regio nach Verkehrsvertrag erbrachten SPNV-Leistungen vom Land im Bundesvergleich viel zu teuer bezahlt werden?
– Ist dem Land bekannt, dass es europaweit der Deutschen Bahn ebenbürtige Wettbewerber im SPNV gibt (Arriva, Benex, Keolis, SBB, Veolia Verkehr, etc.), die die Leistungen auf der Frankenbahn mindestens zu gleichen Kosten und in einer besseren Service-Qualität als heute erbringen könnten?
– Wird mit diesen oder anderen Wettbewerbern verhandelt?
– Verhandelt das Land auch mit seinen eigenen Eisenbahnunternehmen (HzL, SWEG) über die mögliche Erbringung dieser SPNV-Leistungen?
– Wie will das Land bei einer Direktvergabe ohne Wettbewerbsverfahren garantieren, dass die künftig zu zahlenden Entgelte marktüblich und nicht wie bislang überteuert sind?
– Hat das Land eine Sorgfaltspflicht im Umgang mit Steuergeldern, um z.B. das beste SPNV-Angebot für den attraktivsten Preis zu erhalten?
– Ist ein solches Verfahren der Direktvergabe von hochlukrativen SPNV-Verkehren mit aktuellem EU-Recht vereinbar?
– Sieht das Land Baden-Württemberg die Gefahr eines möglichen Verfahrens wegen unerlaubter Beihilfen durch die EU-Kommission?
– Sieht das Land Baden-Württemberg die Gefahr, dass Wettbewerber gegen einen solchen Verkehrsvertrag klagen werden?
– Gibt es Absprachen mit der Deutschen Bahn in anderen Bereichen (z.B. beim Bau von Stuttgart 21), die solche Direktvergaben zu Lasten des Steuerzahlers begünstigen?

Mit Gruß von Michael Schwager
Freier Journalist und Fotograf

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2 Gedanken zu „Anfrage an den Innenminister von Baden-Württemberg zum SPNV auf der Frankenbahn

  1. Diese Anfrage an den Innenminister mag beim ersten Lesen schlüssig klingen, ist tatsächlich momentan aber eher realitätsfern.

    Eine Ausschreibung der Frankenbahn würde derzeit überhaupt nichts bringen, weil außer der DB kein Unternehmen ein Gebot abgeben würde. Die angeführten Ersparnisse durch Ausschreibungen in anderen Bundesländern gab es wohl, sind aber lange her. Durch die derzeitige Wirtschaftsflaute ist die Situation folgende. In Brandenburg, sachsen und NRW werden Ausschreibungen immer weiter verzögert, weil private Unternehmen keine Gebote abgeben. Nicht etwa, weil sie kein Interesse hätten, sondern weil sie auf dem Finanzmarkt keine wettbewerbstauglichen Kredite für Neufahrzeuge bekommen. Aktuell verzichtet im Münsterland die PE als Streckenbetreiber sogar auf eine Vertragsverlängerung, weil die in der Ausschreibung geforderten Verbesserungen für sie nicht bezahlbar sind.

    Was die Frankenbahn betrifft, gibt es genau dasselbe Problem: Jeder neue Betreiber müsste sich neue, elektrische Fahrzeuge beschaffen um die RE Linie Stuttgart Würzburg betreiben zu können. Die von der AVG betriebenen Stadtbahnfahrzeuge wären für einen RE Betrieb kaum geeignet. Große Investitionen in einen neuen Fuhrpark rechnen sich für neue Betreiber aber auch deshalb nicht, weil sich auf der Frankenbahn durch die eher ländliche Lage keine großen Gewinne erwirtschhaften lassen, auch nicht durch neukunden bei einem größeren Angebot. Tatsächlich bietet sich so nur der Betrieb durch die (zugegebenermaßen teure) DB Regio an.

    Zum Thema Steuergelder aber noch ein anderer Aspekt: Die in der Anfrage an das Innenministerium angegeben privaten Eisenbahnunternehmen gehören fast alle ausländische Konzernen. Diese zahlen ihren Mitarbeitern in den dt. Tochterunternehmen Hungerlöhne (vgl. zur DB). Dafür werfen diese Privatbahnen satte Gewinne (bezahlt aus unseren Steuergeldern ) ab, die dann an die Muttergesellschaften ins Ausland transferiert werden. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass auf der einen Seiten Milliarden Steuergelder als Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Kaufkraft verschleudert werden, gleichzeitig die öffentliche Hand um Steuergelder zu sparen, ausländische Unternehmen mit SPNV beauftragt, die ihren Mitarbeitern Hungerlöhne bezahlen.

    • Naja, Sie vermischen in Ihrem Kommentar leider einiges mit den üblichen Totschlagargumenten gegen Privatisierungen im Allgemeinen.
      Zum Thema Lohnniveau: Es sind die Gewerkschaften, die auch mit den privaten Bahn-Unternehmen Tarifverträge abschließen. Zudem bleibt es jedem Aufgabenträger vorbehalten, in einer Ausschreibung die Bezahlung von Tariflöhnen vorzuschreiben, was viele auch tun.
      Das aktuelle Problem der Fahrzeugfinanzierung ist bekannt, könnte jedoch nach dem Modell Niedersachsen gelöst werden, wo das Land die Fahrzeuge selber beschafft und an den Betreiber vermietet.
      Zum Thema Wirtschaftlichkeit: Die Frankenbahn führt in ihrer ganzen Länge von Stuttgart bis Würzburg und bedient daher auch den jeweiligen Ballungsraum. Der Betrieb muss daher in einem Gesamtkonzept und einer Mischkalkulation gesehen werden. Fachleute gehen davon aus, dass z.B. der SPNV zwischen Stuttgart und Heilbronn durchaus eigenwirtschaftlich ohne Zuschuss durch das Land betrieben werden könnte.
      Und solange die DB im Bereich Regionalverkehr gigantische Gewinne generiert und damit weltweit Logistikfirmen aufkauft, kann man sich auch fragen, ob dies ein sinnvoller Einsatz von Steuergeldern darstellt…

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