„Eine Stadtbahn im Jagsttal wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Das stellte Landrat Detlef Piepenburg am Montagnachmittag im Verwaltungsausschuss des Kreistages klar.“ schreibt die Heilbronner Stimme. Wieder einmal berichtet die Zeitung falsch und oberflächlich, und es zeigt sich, dass auch Landrat Detlef Piepenburg offensichtlich schlechte Berater hat, die ihn auch noch mit falschen Zahlen füttern.
Hier die Fakten:
Zitat Piepenburg: „Außerdem lebten entlang der Strecke nur knapp 27 000 Einwohner.“
Diese Aussage ist falsch. Tatsächlich sind es über 62.000 Einwohner wie die BI Frankenbahn bereits 2007 ermittelt hat (Grafik als pdf). Selbst wenn man Bad Friedrichshall aus dieser Rechnung herausnehmen würde, wären es immer noch über 40.000.
Zitat Piepenburg: „Schon heute nutzen laut Piepenburg knapp 3.000 Fahrgäste täglich die Frankenbahn. Eine Steigerung sei mit einer Stadtbahn nicht zu erwarten.“
Diese Aussage ist schlicht falsch, unter einer solchen Annahme hätte man auch keine Stadtbahn nach Öhringen oder eine S-Bahn nach Mosbach bauen dürfen. Die Realität: ALLE Strecken, auf denen heute Stadtbahnen im engen Takt fahren, können ÜBERPROPORTIONAL hohe Fahrgastzuwächse vorweisen, selbst abgelegene Strecken im Schwarzwald. Allein zwischen Karlsruhe-Grötzingen und Öhringen sind die Fahrgastzahlen seit 2006 um 25 Prozent gestiegen!
Zudem würde die Stadtbahn nach Osterburken die Linien nach Sinsheim und Neckarelz hervorragend ergänzen, weil somit auf drei Linien als Mindestangebot bis Bad Friedrichshall ein sinnvoller 20-Minuten-Takt möglich wäre, wie er bei der Stadtbahn im Raum Heilbronn üblich ist.
Zitat Piepenburg: „Eine Stadtbahn würde zudem den überregionalen Zugverkehr beeinträchtigen. „Es ist wenig sinnvoll, mit einer Stadtbahn unsere Pläne bis 2016 zu konterkarieren.“
Diese Aussage ist falsch. Die Stadtbahn als S-Bahn im Verdichtungsraum wäre die ideale Ergänzung des überregionalen, schnellen Bahnverkehrs. Auch dieser würde von einem dichten S-Bahn-Takt und steigenden Fahrgastzahlen profitieren. Erst jüngste Gutachten haben erneut ergeben, dass die zweigleisige Strecke genügend Kapazitäten für einen wesentlich dichteren Zugverkehr hat.
Man kann sowohl dem Redakteur als auch dem Landrat nur empfehlen, einmal ausführlich das Interview mit Dr. Dieter Ludwig hier im Weblog zu lesen!
Im Kommentar zu diesem Artikel findet sich die Antwort zum Thema von Claus-Jürgen Renelt, im Landratsamt Heilbronn zuständig für Bausachen und den Schienenverkehr, wieder einmal im Auftrag von Landrat Piepenburg.
Sehr geehrter Herr Schwager,
Herr Landrat Piepenburg hat mich gebeten, Ihre Mail zu beantworten.
Zunächst zu den Zahlen:
Die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinden Neudenau, Möckmühl, Roigheim, Adelsheim und Osterburken beträgt zum 31.12.2008 26.621. In der Tat sind hier nicht die Städte Bad Friedrichshall und Neckarsulm enthalten, weil diese Städte ohnehin von der Stadtbahn Nord bedient werden und durch zusätzliche Stadtbahnfahrten in Richtung Jagsttal kaum mehr Umsteiger gewonnen werden können.
Die Zahlen der BI Frankenbahn umfassen auch Gemeinden, die nicht unmittelbar an der Frankenbahn liegen. Es kann trefflich darüber diskutiert werden, ob auch diese Gemeinden einbezogen werden müssen. Dies würde nur dann Sinn machen, wenn auch aus diesen Gemeinden erhebliche Fahrgastzuwächse generiert werden können.
Auch zusätzliche Haltepunkte machen nur dann Sinn, wenn neue Fahrgastpotentiale erschlossen werden können. Im Jagsttal ist es so, dass bereits die vorhandenen Haltepunkte erhebliche Siedlungs- und Gewerbegebiete abdecken.
Wenn Sie überdies behaupten, dass die Aussagen des Landrates zudem von vielen engagierten Bürgerinnen, Bürgern und Kommunalpolitikern im Jagsttal als Schlag ins Gesicht empfunden werden, empfehle ich, sich einmal ausgiebig mit den Aktivitäten des Landkreises Heilbronn, der anderen Landkreise und der Stadt Heilbronn zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auf der Schiene im Jagsttal zu befassen!
Es geht nicht um den Streitpunkt Stadtbahn ja oder nein, sondern es geht darum unter Beachtung der tatsächlichen (rechtlichen und finanziellen) Gegebenheiten für das Jagsttal im RE- UND im RB-Bereich mittelfristig erhebliche Angebotsverbesserungen zu erreichen. Dies betrifft die Zahl der verkehrenden Züge an Werktagen, an Samstagen und an Sonn- und Feiertagen, die Erreichbarkeit in den Morgen- und Abendstunden und schließlich das eingesetzte Wagenmaterial.
Wenn Sie in Möckmühl anwesend waren, konnten Sie auch hören, dass ich die Ausführungen von Herrn Ludwig kritisch kommentiert habe. So einfach, wie Herr Ludwig die Dinge dargestellt hat, ist die Sache leider nicht – und das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Im übrigen gibt es für die Stadtbahnabschnitte unterschiedliche Finanzierungsmodelle. Deshalb kann ich nicht bestätigen, dass die AVG in jedem Fall wesentlich günstiger fahren kann, als Mitbewerber.
Mittelfristig wird der Landkreis Heilbronn zusammen mit der Stadt Heilbronn ohnehin den Nahverkehrsplan aktualisieren und damit auch das ÖPNV-Leitbild überarbeiten.
Sie wissen, das ich Ihnen oder der BI zu einem vertiefenden Gespräch gerne zur Verfügung stehe.
Freundlicher Gruß
Claus-Jürgen Renelt